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Recycling von Baustoffen ist keine neue Erfindung, war aber in den vergangenen Jahrzehnten in Vergessenheit geraten. Aus Gründen der Energieeffizienz, aus Platzmangel und der Endlichkeit von Rohstoffen gewinnt es wieder an Aktualität. Bauingenieure der HTWG Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung arbeiten in einem Forschungsprojekt an der Etablierung von Recyclingbeton (R-Beton) in der Bauwirtschaft. Die Akzeptanz des Materials ist international sehr unterschiedlich.

„Der Wunsch nach Energieeffizienz und das Bewusstsein für die Endlichkeit des benötigten Materials veranlasst die Baubranche, verloren gegangenes Wissen wieder zu aktivieren und auszubauen“, sagt Dr. Sylvia Stürmer, Professorin für Baustofftechnologie, Bauphysik und Bauwerkserhaltung an der HTWG. Sie arbeitet mit dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH (IFEU), dem Institut für Angewandte Bauforschung Weimar gGmbH (IAB) und Praxispartnern, dem Recycling-Unternehmen Feess und dem Transportbetonwerk Holcim, zusammen. Ziel des Forschungsprojekts ist unter anderem, die Bekanntheit von Recyclingbeton und das Vertrauen in das Material zu steigern, das zirka zu einem Viertel aus Betongranulat oder gemischtem Mauerwerkbruch besteht.

Es sei ein Trugschluss, dass die für Beton nötigen Gesteinskörnungen „wie Sand am Meer“ zur Verfügung stehen. Gerade die Niederlande seien mit der Knappheit des Kiesvorkommens im eigenen Land konfrontiert – wie im Übrigen auch die Schweiz. Kein Wunder, dass diese beiden Länder Vorreiter im Einsatz von Recyclingbeton sind. Häufig sind die Abbaustätten natürlicher Gesteinskörnungen umstritten. Wer will Bagger, Lkws und den damit verbundenen Lärm, Verkehr und Staub in der Umgebung haben? Dazu kommt eine weitere Problematik: Wohin mit dem Bauschutt bei Abbrucharbeiten? Deponien sind teuer und häufig in großer Entfernung von den Abbruch-Baustellen. Ein nicht zu unterschätzendes Argument für neue Wege in der Baustoffproduktion ist schließlich die Energieeinsparung: Die Herstellung von Zement ist sehr energieintensiv. Deshalb werden bei den ressourcenschonenden Betonen ausschließlich CEM II-Zemente eingesetzt und die Rezepturen bezüglich des Zementbedarfs optimiert.

Moderne Verfahren ermöglichen bereits während der Abbrucharbeiten den selektiven Rückbau von Beton und Mauerwerk, die Trennung zwischen Ziegel, Beton, Asphalt und Störstoffen wie Holz und Kunststoffen. Es ist zum Beispiel ein großer Unterschied, ob Mauerwerke mit Ziegel und Beton aus dem Jahr 1880 oder aus dem Jahr 1965 rückgebaut werden. Die für die Wiederverarbeitung nötige sorgfältige Aufbereitung der Abbruchmaterialien, wie Brechen, Sieben und Fraktionieren, kostet Zeit und Geld, ermöglicht aber durch die Ressourcenschonung Energieeinsparung und reduziert das Deponieaufkommen.

Beton mit Recyclinganteilen sei nicht von minderer Qualität, betont Prof. Stürmer. Dies garantieren Normen und Regelwerke, wonach Recyclingbeton-Körnungen als vollwertige Substitute für Kies oder gebrochenes Primärgestein bei der Betonherstellung gelten. Dennoch ist die Bekanntheit des Materials und das Vertrauen in es gering – zumindest in Deutschland. Anders im Nachbarland: „In der Schweiz wird der Einsatz von Recyclingbeton gar nicht mehr gesondert gekennzeichnet, ein Anteil von fünfzehn Prozent bei öffentlichen Baumaßnahmen ist üblich“, sagt Prof. Stürmer.

Das Forschungsprojekt mit dem Titel „Untersuchung von Mauerwerksabbruch und Ableitung von Kriterien für die chemisch und physikalisch verträgliche und ökologische Anwendung in RC-Beton“ soll einen Beitrag dazu leisten, dass Recyclingbetone auch mit Mauerwerkbruch im modernen Hochbau eingesetzt werden. „Das ist besonders in den Regionen effizient und nachhaltig, in denen verstärkt Mauerwerkabbruch anfällt, die Transportentfernung für natürliche Gesteinskörnung vergleichsweise hoch ist und viele Hochbau-Projekte mit Beton realisiert werden“, erläutert die Professorin.

Quelle: HTWG Konstanz