Alles zum Thema Energien

Die Modernisierung und der Ausbau der Stromübertragungsnetze kommen in Deutschland langsam, aber kontinuierlich voran. Kurzfristig wird es keine Netzlücken geben, trotz des Atomausstiegs. „Es ist genug Zeit, den weiteren Netzausbau gründlich zu planen“, sagt Christian von Hirschhausen, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). „Ohne Eile kann der Netzausbau in Deutschland und Europa auf den Prüfstand gestellt werden.“ Am 1. Juni 2012 wollen die Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland einen neuen Netzentwicklungsplan vorstellen und in die öffentliche Diskussion einbringen.

Stromleitungen in einer Länge von gut 2.500 Kilometer sollen innerhalb Deutschlands nach aktueller Gesetzeslage in den nächsten Jahren aufgerüstet oder neu gebaut werden. Die meisten Projekte liegen im Zeitplan bzw. weisen eine absehbare Verspätung auf; hinzu kommen weitere internationale Anbindungen, welche der europäische Zehn-Jahres-Entwicklungsplan vorsieht, sowie die Offshore-Projekte.

Kurzfristig gibt es daher keinen dringenden Anlass zur Sorge: „Das Glas ist halbvoll. Das Stromnetz ist aktuell gut an die Bedürfnisse der Energieerzeuger  und  – verbraucher angepasst. Bei den derzeit 24 großen Leitungsmodernisierungen oder –neubauprojekten sind wir im Zeitplan zwar etwas hinterher, aber es gibt keine gravierenden Verschiebungen“,  sagt Hirschhausen, Mitautor einer neuen Studie des DIW Berlin.  „Selbst wenn es zu Engpässen kommt, wie im Winter 2011/2012, sind die Betreiber der Übertragungsnetze gut darauf vorbereitet.“ Es gibt ausreichend Instrumente, so dass es weder zu Stromausfällen noch zu einer Instabilisierung des Netzes kommt, sagen die DIW-Ökonomen. Das wird ihrer Ansicht nach auch im kommenden Winter so sein, den die Bundesnetzagentur in Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern und der Energiewirtschaft gründlich vorbereitet.

„In aller Ruhe können daher deutsche und europäische Pläne für den Netzausbau auf den Prüfstand gestellt werden“, sagt Hirschhausen. Zusammen mit einem Forscherteam hat er drei Szenarien für den Netzausbau untersucht: den Status Quo der aktuellen Ausbaupläne in Deutschland (Energieleitungsausbaugesetz) und Europa (Ten-Year-Network-Development-Plan), eine erhöhte Stromproduktion in Süddeutschland aus Gas, Wind- und Sonnenenergie, und, drittens, den Bau von drei Leitungen für die Hochspannungsgleichstromübertragung mit insgesamt zehn Gigawatt. In allen drei Szenarien wird eine Dezemberwoche im Jahr 2030 simuliert.

Im ersten Szenario übernehmen die Nord-Süd-Stromleitungen den größten Teil der Stromübertragung. Deutschlandweit müssten rund sieben Prozent des Stroms importiert werden. Im Südszenario  zeigt sich, wie bei verstärkter Konzentration der Erzeugungskapazitäten in Süddeutschland der Netzausbaubedarf sinkt. Vor allem einige Nord-Süd-Leitungen werden entlastet, wenn Kapazitäten zur Stromerzeugung dort gebaut werden, wo der Stromverbrauch groß ist. Die Netto-Stromimportrate Deutschland sinkt in diesem Szenario auf knapp ein Prozent im Jahresdurchschnitt. Im dritten Szenario kann es zu einem lokal stärkeren Ausbaubedarf auf Zuleitungsstrecken führen. Die Importrate liegt in diesem Fall bei 5,6 Prozent. „Die Diskussion über die konkrete künftige Netzausgestaltung können wir jetzt in Ruhe angehen“, sagt Hirschhausen zusammenfassend.

Quelle: DIW