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3D-Finite-Element-Untergrundmodell des Großraums München mit Blick aus südwestlicher Richtung (5fach überhöht) mit Darstellung der einzelnen geologischen Schichten. Die Fähnchen kennzeichnen jeweils eine Bohrung. Grafik: Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik, Hannover

3D-Finite-Element-Untergrundmodell des Großraums München mit Blick aus südwestlicher Richtung (5fach überhöht) mit Darstellung der einzelnen geologischen Schichten. Die Fähnchen kennzeichnen jeweils eine Bohrung. Grafik: Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik, Hannover

Hydrogeologisch-geothermische Modellrechnungen blicken ein halbes Jahrhundert voraus und sprechen den oberbayerischen Anlagen zur Nutzung der Tiefen Geothermie stabile Förderbedingungen zu. Dieses und weitere Prognose-Ergebnisse legt das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik, Hannover (LIAG) zum Abschluss des Projekts „Geothermische Charakterisierung von karstig-klüftigen Aquiferen im Großraum München“ vor, in dessen Rahmen auch ein Simulator zur numerischen Prognose-Modellierung für verschiedene Geothermie-Förderszenarien entwickelt wurde.

Die Tiefe Geothermie ist eine erneuerbare Energie. Gegenüber den anderen Erneuerbaren, die letztlich alle von der Sonne partizipieren, hat sie außerhalb der großen Vulkangebiete noch einiges Entwicklungspotenzial, sowohl in der wissenschaftlichen Erforschung wie in der technischen Umsetzung. In Süddeutschland aber erweist sich die Tiefe Geothermie schon jetzt als Energie-Leistungsträger. Günstige geologische Verhältnisse im Untergrund des Alpenvorlands sorgen für geothermischen “Auftrieb“. Entsprechend fördert auch das BMU seit einigen Jahren Arbeiten in dieser Region, darunter auch diese Forschungsvorhaben des LIAG.

Der Kalk- und Dolomitstein der Höhenzüge und Steilanstiege der Schwäbischen Alb bilden die Formation (Malm), die nach Süden in Richtung Alpen einige tausend Meter tief abtaucht und dort von mächtigen Schichten der Alpenvorlandsedimente (Molasse) überdeckt ist. Karsthöhlen, Klüfte, Spalten und Poren dieser Malm-Formation sind mit riesigen Mengen Wasser gefüllt, welches mit zunehmender Tiefe warm, sogar heiß wird. Die Donauversickerung und der Blautopf auf der Schwäbischen Alb vermögen dem Laien eine Vorstellung zu vermitteln, welche Wassermengen dieser Malm schon in einem kleinen Gebiet bequem schluckt oder ableiten kann. Fachleute sagen schlicht, der Malm ist ein guter Wasserleiter, ein guter Aquifer. Aus geothermischer Sicht ist im Alpenvorland alles vorhanden, was zu einem guten Geothermie-Reservoir gehört. Es gibt einen Aquifer, also eine wasserreiche, gut durchlässige Schicht. Sie liegt an vielen Stellen tief genug, wodurch das Wasser darin heiß ist, vielerorts weit über 100 °C. Von allen Seiten kann reichlich heißes Wasser nachströmen, nach oben ist es durch ein dichtes Schichtpaket geschützt. Der Malm-Aquifer unter dem süddeutschen Molassebecken ist das bedeutendste hydrogeothermische Reservoir in Mitteleuropa, sowohl für die Wärmebereitstellung wie für die Stromerzeugung.

Um die Erdwärme zu gewinnen, werden meist zwei Bohrungen bis in den Malm niedergebracht, im Malm haben sie Abstände von 1 bis 3 km. Die eine fördert das heiße Wasser, die andere bringt das abgekühlte Wasser zurück in den Untergrund. Inzwischen gibt es allein dreizehn solcher Bohrungspaare, sogenannte „Dubletten“ im Großraum München. Diese Zahl verdeutlicht das große, wirtschaftlich nutzbare geothermische Potenzial.

Wie lange funktioniert das – hier heiß fördern, dort kalt zurückfüllen? Wo genau sind die Reservoire? Wo fließt wie viel Wasser? Wie viel kann, wie viel darf man nachhaltig fördern? Nicht nur diese, sondern etliche weitere Fragen brauchen eine Antwort. Messdaten und Computermodelle sind der Schlüssel zu möglichen Antworten.

Die gegenseitige Beeinflussung geothermischer Dubletten und die Erforschung des Zusammenhangs seismischer und hydraulischer Parameter standen im Mittelpunkt des Projekts „Geothermische Charakterisierung von karstig-klüftigen Aquiferen im Großraum München“.
Das Projekt war als Verbundvorhaben mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt und den Partnern aus Hochschulen (FU Berlin, LMU München) und Wirtschaft (Geothermie Neubrandenburg, Aquasoil, HydroConsult) konzipiert. Es wurde vom LIAG koordiniert und endete am 31.12.2011; die Ergebnisse werden am 23. April auf der EGU-Tagung in Wien der Fachwelt vorgestellt (EGU2012-9157).

Im Jahr 2009 war der Untergrund von Unterhaching mit Seismik dreidimensional durchleuchtet worden. Dieser große Messdaten-Schatz bildet zusammen mit den vorhandenen großräumigen geologischen und geothermischen Daten sowie den daraus entwickelten räumlichen Untergrundmodellen die Grundlage für eine numerische Prognosemodellierung, wie sie zur Beantwortung der vielen Fragen erforderlich ist. In diesem Rechenmodell können verschiedene Förderszenarien simuliert und dargestellt werden und so mit realen Pump- und Förderdaten in Beziehung gebracht werden. Das Rechenmodell wurde so kalibriert, dass es die hydraulischen und geothermischen Verhältnisse sowie die durchgeführten Pumpversuche im Modellgebiet reproduzieren kann.

Die Simulationen ergaben für die langfristige Geothermie-Nutzung sehr ermutigende Ergebnisse. Sie zeigen, dass in den nächsten fünfzig Jahren nur im Nahbereich der jeweiligen Bohrungen die Temperaturen im Untergrund durch Reinjektion, also durch das Wiedereinfüllen von Kaltwasser, nennenswert beeinflusst werden. Gegenseitigen Temperaturbeeinflussungen der Bohrungen untereinander werden nicht auftreten. Auch die hydraulischen Beeinflussungen werden weit unterhalb der durch den jeweils eigenen Betrieb induzierten Veränderung liegen. Die Änderungen sind wegen der ausgeglichenen Massenbilanz mit wenigen Ausnahmen von untergeordneter Bedeutung und liegen häufig unter der Nachweisgrenze. Größere Beeinflussungen sind in erster Linie dem geringen räumlichen Abstand der Injektionsbohrungen, den hohen Volumenströmen sowie geringdurchlässigen Bereichen geschuldet.

Mit dem neuen Simulator können zukünftige Planungen durch Hinzufügen weiterer Förder- und Injektionsbohrungen sowie Änderungen der Pumpraten betrachtet und bewertet werden. Das numerische Modell kann als Werkzeug zur Bewertung des nachhaltigen Betriebes der bestehenden oder geplanten geothermischen Anlagen im Malm-Reservoir dienen.

Quelle: Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik